EuroSportsTurf sprach mit Alfred Melcher über seine Meinung hinsichtlich der Entwicklung des Greenkeepings innerhalb der letzten knapp 30 Jahre.

EST: Lieber Alfred, Du blickst mittlerweile auf eine 26-jährige Bundesligaerfahrung als Greenkeeper im Profifußball zurück. Sicherlich warst Du nicht zuletzt aufgrund der finanziellen Möglichkeiten eines Profi-Clubs am Puls der Zeit, was die Möglichkeiten der Pflege der Sportplätze angeht. Wenn Du so auf die Entwicklung des Maschinenfuhrparks zurück blickst, was war damals vielleicht in den 90igern schon eine große Innovation, die sich bis heute auf dem Markt gehalten hat?

Alfred Melcher: Eine der größten Innovationen, wenn man sie als solche bezeichnen kann, war sicherlich die Markteinführung des VertiDrain. Die Maschine löste damals bei mir die GA30 von Ryan ab. Als dann noch die Weiterentwicklung der Schnellläufer erfolgte, konnte ich die Plätze nochmals 3-4 Stunden schneller aerifizieren.
Aber auch die neuen Vertikutierer waren und sind nach wie vor eine tolle und absolut unentbehrliche
Entwicklung.  In den Anfängen haben wir die Plätze doch nur gemäht, gestriegelt und abgekehrt. Viel mehr passierte da in den Anfängen nicht. Ich sehe uns noch mit den Kalkstreuern die Linien markiren. Heute sind Markierungswagen GPS gesteuert! Auch wenn es keine Maschine ist, so war die Rasenheizung eine heutzutage unentbehrliche Innovation.

EST: Gab es damals im Maschinenfuhrpark schon Geräte, die Du gerne heute auch wieder einsetzen würdest, die heute aber gar nicht mehr erhältlich sind?

Alfred Melcher: Ehrlich gesagt war die gute alte GA30 ein solches Gerät. Klar war die nicht so effizient
wie die neuen Aerifizierer. Aber durch das leichte Gewicht und die geringen Maße eignet sich diese Maschine
auch heute noch optimal für die schnelle Belüftung von Torräumen. Darum läuft die bei mir immer noch. Ich
hab mir sogar noch gebrauchte Geräte von Golfplätzen organisiert, weil die Dinger ja leider so nicht mehr
gebaut werden.

EST: Was war bei der Düngung die gravierendste und für Euch effektivste Innovation im Hinblick auf die Verbesserung der Qualität der Grasnarbe?

Alfred Melcher: Einen großen Schritt hinsichtlich der Flexibilität und der gezielten Nährstoffnachführung
brachte die Flüssigdüngung, die so ca. 2006 auch Einzug in die Fußballstadien hielt. Jetzt war es möglich,
noch viel exakter auf Nährstoffdefizite zur reagieren. Hiermit eröffnete sich auch die Möglichkeit der
Ausbringung von Pflanzenstärkungsmittel. Und mit so eine Flüssigdüngung geht ja auch zeitlich gesehen
recht fix.

EST: Wann genau fing es eigentlich damit an, dass abgespielte Torräume auch im Winter nicht mehr toleriert wurden?

Alfred Melcher: Das war 1991 oder 1992, da war ich noch in Leverkusen. Ich erinnere mich an ein Länderspiel im
Winter gegen Luxemburg. Da haben wir vor dem Spiel quasi das erste Mal die Sode im Torraum getauscht.
Blöd war halt, dass es damals noch keine Rasenheizung gab. Den 10 cm tief hart gefrorenen Boden haben wir
damals notgedrungen mit einem Presslufthammer herausgestemmt, um Platz für den Rollrasen zu machen.
Das war eine echte Schufterei die 4m x 5,50m gefrorenen Boden da heraus zu hämmern!

EST: Wenn Du die 80er Jahre mit der heutigen Zeit vergleichst, was hast Du dann damals als größte Herausforderung empfunden, und was ist im Vergleich dazu die größte Herausforderung für das Greenkeeping in der heutigen Zeit?

Alfred Melcher: Ehrlich gesagt war es damals wie heute dieselbe Herausforderung, nämlich eine möglichst
optimale Spielfeldqualität herzustellen. Damals waren die Ansprüche noch nicht so groß wie heute, aber das
gleichen einerseits die limitierte pflegetechnischen Möglichkeiten von damals und die hohen Ansprüche
von heute quasi aus.

EST: Hat sich die Anzahl der Mitarbeiter aus Deiner Sicht im Vergleich zu den Anfängen Deiner
Karriere adäquat angepasst?

Alfred Melcher: Auch in dieser Hinsicht war die Situation sowohl in Leverkusen als auch bis heute in
Freiburg immer Fair und in Ordnung. Wenn du international spielst, dann brauchst du einfach mehr
Personal. Aber das haben die Verantwortlichen in den Vereinen auch immer verstanden.

EST: Findest Du das die Industrie Dir im Laufe der Zeit ausreichende Lösungen angeboten hat, um dem
immer höheren Qualitätsanspruch gerecht zu werden?

Alfred Melcher: Aus meiner Sicht wurden wir bei steigenden Anforderungen von Seiten der Industrie
immer innovativ unterstützt. Ich denke da in jüngster Zeit z.B. an die Möglichkeit der Zusatzbelichtung,
die Hybridrasentechniken, den Air2G2 und viele andere gute Entwicklungen, die unsere Arbeit effektiver
und die Ergebnisse deutlich besser machen.

EST: Gibt es aus Deiner Sicht noch viel Spielraum nach oben im Hinblick auf Qualitätssteigerung, oder
ist z.B. mit den unterschiedlichen Hybridrasentechniken schon das Ende der Fahnenstange erreicht, was die
Belastbarkeit der Grasnarbe angeht?

Alfred Melcher: Aus meiner Sicht ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Aber das hängt ja auch
ganz stark von den Anforderungen ab. Mit dem Bau neuer Multifunktionsarenen steht man aus wachstumstechnischer Sicht wieder vor ganz neuen Herausforderungen. Auch in Sachen Gräserzüchtung ist sicherlich noch einiges möglich. Und da wir hier über einen lukrativen Markt reden wird es sicher immer wieder innovative Köpfe geben, die Entwicklungen weiter voran treiben.

EST: Wie schätzt Du die Entwicklung der Pflanzenschutzmittel Zulassungen ein? Kann man darauf
im Profifußball komplett verzichten?

Alfred Melcher: Ich halte einen völligen Verzicht für sehr schwierig. Ich denke da nur an die typischen
Auflaufkrankheiten nach der Regeneration in der Sommerpause. Danach hat man 6-8 Wochen um den
Rasen wieder in eine top Zustand zu bringen. Das kann bei ungünstiger Witterung ohne Fungizide auch
mächtig schief gehen. Aber generell finde ich die restriktive Zulassungspolitik schon gut, den sie schont
die Natur.

EST: Würdest Du der Schuhindustrie gerne etwas mit auf den Weg geben, oder haben die Fußball-
Schuhe der Profis eigentlich immer schon vergleichbare Schäden angerichtet?

Alfred Melcher: Das ist mir eigentlich nie so bewusst geworden. Und nachdem mir in den zurückliegenden
Jahren niemals aufgefallen ist, dass der Rasen durch ein bestimmtes Schuhwerk besonders in Mitleidenschaft
Gezogen würde, würde ich dem Einfluss der Schuhe nicht so viel Gewichtung im Hinblick auf die Verletzung
der Grasnarbe beimessen.

EST: Was würdest Du Dir für die Zukunft wünschen, um Deine Arbeit noch weiter optimieren zu können?

Alfred Melcher: Ich hätte in der nächsten Zeit gerne einige Zusatzbelichtungseinheiten. Ansonsten bin ich mit den
Möglichkeiten, die mir der SC Freiburg bietet, wirklich sehr zufrieden.

EST: Lieber Alfred, vielen Dank für Deine offenen und interessanten Antworten.